Polarität ist ein Ausdruck der Philosophie für das Verhältnis sich gegenseitig bedingender Größen. Sie unterscheidet sich vom Dualismus, bei dem die Größen als antagonistisch (nicht miteinander vereinbar) gesehen werden. Bei der Polarität geht es nicht um einen unvereinbaren Gegensatz, sondern um ein komplementäres Verhältnis.
— Wikipedia zu Polarität
Polarität ist das Verhältnis sich gegenseitig bedingender Eigenschaften, also Gegensätzlichkeit bei wesenhafter Zusammengehörigkeit.
— Auszug aus dem noch unveröffentlichtem Manifest zu Persönlicher Entwicklng und Spirituellem Wachstum.
Begriffsklärung
Ein Pol wird erst dadurch zu einem Pol, dass es einen Gegenpol dazu gibt. Und diese Zusammengehörigkeit, die Beziehung zwischen den beiden Polen, ist es, was die beiden Pole als Gegensätze definiert.
Nordpol und Südpol
Ein magnetischer Nordpol ist also nur deswegen ein Nordpol, weil es auch einen zugehörigen Südpol gibt. Ohne den vollständig gegensätzlichen Südpol wäre der Nordpol nur ein weiterer Punkt am Globus, wie jeder andere Punkt auch.
Der Nordpol ist nicht besser als der Südpol, und er ist auch nicht schlechter. Er ist einfach das eine Ende des Magneten, während der Südpol das andere Ende ist. Die Beziehung zwischen den beiden Polen heißt Magnet.
Und wenn wir diese Beziehung namens Magnet verstehen, wenn wir also das gesamte System sehen, dann haben sich diese scheinbar unvereinbaren Gegensätze der Pole aufgelöst und sie sind so wertfreien Attributen geworden. Plötzlich gehört zusammen, was unvereinbar erschienen ist.
Andere gute und schlechte Beispiele
Nehmen wir ein anderes dafür sehr viel diskutiertes Beispiel aus der moralischen Welt: Gut und Böse. Hell und Dunkel, Gott und Teufel: pure Polarität. Unvereinbare Gegensätze, die einander bedingen um ihre Identität als Pol behalten zu können.
Und aus Sicht dieser einander bedingenden Abhängigkeit zeigt sich recht schnell die Aussichtslosigkeit dieser Diskussion in ihrem Versuch ein Ergebnis zu erzielen.
Wie kann „Gut“ besser als „Schlecht“ sein, wenn „Gut“ doch essentiell „Schlecht“ braucht um weiterhin „Gut“ zu sein?
Wie kann Gott ausschließlich „Gut“ und pure Liebe sein und zugleich allmächtig sein? Wenn er doch essentiell den Teufel braucht, von ihm abhängig ist, um weiterhin „Gut“ zu sein?
Wie kann „Liebe“ das höchste ultimative Gut im Universum sein, wenn es alles in Existenz zwingt was „Nicht-Liebe“ ist?
Keiner sagt hier, dass „Gut“ schlecht ist, oder dass „Schlecht“ gut ist. Was hier gesagt wird ist lediglich, dass es eine Art naive und unreflektierte Denkweise ist, diese gegenseitige Abhängigkeit weiter aufzulösen und die Beziehung zwischen den beiden Polen weiter aufzulösen.
Ja, es ist schwierig ein Dogma wie „Gott ist gut“ zu hinterfragen und zu reflektieren. Aber wir leben in einem Zeitalter, in dem man dies tun kann, ohne dafür auf dem Scheiterhaufen zu landen.
Gott und der Teufel in der Typisierung als „Gut“ und „Schlecht“ können nur die zwei Seiten von ein und derselben Medaille sein. So wie sowohl Licht als auch Schatten die Auswirkungen der Photonen sind, die die Sonne aussendet und von den Lichtzellen unserer Netzhaut wahrgenommen werden. Und der wahre Gott, wenn man bei diesem Glaubenskonstrukt bleiben möchte, ist nicht das Licht, sondern die Sonne selbst, die sowohl Licht als auch Schatten.
Die Beziehung vereint
Zwei Pole und ihre Beziehung zueinander bilden also ein System. Nichts als ein System, das offensichtlich mehr ist als die Summe der Einzelteile.
2 Pole + 1 Beziehung = 1 untrennbare Einheit
Eine andere Mathematik, aber im Kontext der Polaritäten eine argumentierbar korrekte Aussage.
Werkzeug der Manipulation
Polaritäten haben also das Potenzial zu polarisieren und Emotionen hervorzurufen, wie wir am Beispiel mit Gut und Schlecht bzw. Gott und Teufel recht leicht erahnen kann. Die Pole repräsentieren Gegensätze, die unvereinbar weit auseinander liegen. Und da Menschen in ihrem üblichen Alltag in der Regel keinem extremen Gegensatz alleine angehören ruft eine solche Positionierung natürlich Emotionen und damit Energie für Handlungen hervor.
Manipulation
Und genau das macht Polaritäten zu einem Werkzeug, mit dem Manipulation sehr einfach wird. Sie verbergen ja die 50 Shades of Grey, die zwischen den Polen liegen. Wir können nicht nur am Südpol oder am Nordpol der Erde leben. Besser lebt es sich in den gemäßigten Breitengraden dazwischen. Wer sich jedoch in seinen Gedankengängen auf einen Pol festlegt – sei es Nord, Süd, Gut oder Schlechtpol – der hat sehr viel weniger Handlungsoptionen und Freiheiten sich zu entscheiden. Der wird viel einfacher in Emotionen zu drängen sein. Und gerade die Emotionen Ärger, Traurigkeit, Furcht, Schuld, Schmerz, Konflikt und auch Scham machen den Menschen sofort willig diese Emotionen zu vermeiden. Und dafür ergreift der Mensch die Handlungsoption, die ihm angeboten wird. Genau in dieser Art funktioniert Manipulation sehr gut.
Wer macht denn so was? Die Kirche, der Staat, Eltern, im Grunde jeder macht das.
Manipulation auslösen
Wenn ich also für mich Polaritäten erkenne und sie auflöse, indem ich aus meiner Sicht die verbindende Beziehung zwischen ihnen erkenne, nehme ich den Polen die Fähigkeit mich emotional zu beeinflussen, und damit nehme ich anderen Fähigkeit mich dadurch zu steuern. Und ich erzeuge damit Verständnis und Harmonie in mir, und innere Ausgeglichenheit macht mich zu einem wenig attraktiven Zielpunkt für Manipulation durch andere.
Aber auch den gegenteiligen Aspekt kann ich nutzen. Wenn ich Polaritäten gezielt trenne, schaffe ich die Möglichkeit meine Emotionen und Instinkte zielgerichtet aufzuladen. Ein Beispiel, wo dies positive Verwendung findet, ist das Gestalten der männlichen und weiblichen Energien im Tantra. Denn das ist viel mehr das, worum es im Tantra geht. Swingerclubs haben damit nichts zu tun.
Wann immer ich Triebkraft und Motivation brauche für Bewegung und Veränderung, dann kann ich Polaritäten trennen, und die dadurch aufkommende Energie dafür nutzen. In gewisser Hinsicht manipuliere ich mich damit selbst. Solange ich es bewusst, zielgerichtet und in guter Absicht tue ist dies ein sehr wünschenswerter Vorgang.
Fazit
Polaritäten sind sehr simple Konzepte. Durch ihre Natur der Gegensätzlichkeit wecken sie Emotionen. Und in der Emotion ist es für unreflektierte Menschen fast unmöglich den einen Schritt zurückzutreten und mal zu sehen worum es wirklich geht. Was ist die Beziehung zwischen den Polen? Was ist die größere Sache in der ich gerade engagiert bin?
Unreflektierte Menschen werden sich sehr schwertun aus der Manipulation auszusteigen. Das heißt nicht, dass es für reflektierte Menschen immer einfach ist.
Gar nicht. Sie haben aber bessere Chancen die Polarität als solche zu erkennen. Und wenn sie es aufgrund ihrer persönlichen Involvierung nicht allein auflösen können, dann werden sie hoffentlich reflektiert genug sein um sich Supervision und Unterstützung dafür holen.
Also wieder mal der Appell: Leute, reflektiert euer Leben! Reflektiert euch selbst!